EX-IN Bodensee Kurs 1 – Erfahrungsbericht Uwe M. Hammerle

Wie und was hat sich in meinem Leben geändert durch die Teilnahme am EX-IN Kurs Bodensee?

Im speziellen war mein Änderungsprozess ein jahrelanger Zweifel. Jahrelange habe ich gegen meine adipöse Figur gekämpft. Immer wieder bekam ich im Winter Depressionen mit anschließender Psychose. Ich denke heute, das war ein innerer Kampf mit meiner Unzufriedenheit! Als ich mich im Spätjahr 2016 und nach mehreren erfolglosen Abnahmeversuchen, dazu entschlossen hatte meine Unzufriedenheit und mein Kampf gegen das viel zu hohe Übergewicht (185,9 kg bei 193 cm; BMI von >50) mit einer Operation zu begegnen, fiel von mir eine Last ab. Im Dezember 2016 hatte ich meine erste Sprechstunde beim Arzt. Ich erzählte von meinem jahrelangen Kampf gegen das Gewicht und den psychischen Problemen. Der Arzt warnte davor, dass der Eingriff endgültig und unumkehrbar sein würde. Er erzählte mir im gleichen Gespräch, dass der Weg zur Operation lang ist. Im Vorfeld der OP nahm ich durch das Leber-Fasten über 20 kg ab. Es kam der Tag der Operation und ich war sehr nervös, aber man beruhigte mich! Nach der OP purzelten die Kilos! Nach einem Jahr hatte ich nur noch etwa 95 kg! In den darauffolgenden Monaten nach der OP war ich ca. ein halbes Jahr krankgeschrieben. Ich konnte kaum etwas bei mir behalten. Jedes viertel Jahr hatte ich eine Arzt-Sprechstunde. Man tauschte sich aus!

In der Zwischenzeit hatten wir von iPEBo auch unser Projekt „iPEBo goes EX-IN“ vorangetrieben, bis endlich die Termine für Kurs 1 der EX-IN-Bodensee-Weiterbildung feststanden. Der Bewerbungszeitraum stand vor der Tür, meine Bewerbung hatte ich schon Wochen vorher fertig gestellt und dem Projektleiter Rainer Schaff vorgelegt. Nach den Bewerbertagen und eine positive Rückmeldung der Trainer, war ich sehr glücklich, dass ich den ersten Kurs absolvieren durfte. Psychisch war ich in den letzten beiden Jahren absolut stabil und hatte keine Symptome!

Es kam das erste Modul – Salutogenese – es war sehr interessant, über meine Genesung und meinen Änderungsprozess durch die OP zum Abnehmen hatte ich Salutogenese am eigenen Leib erlebt! Ich konnte dem ganzen nur zustimmen, hielt mich aber noch zurück. Die Belastung durch die Arbeit an den organisatorischen Vorbereitungen für die EX-IN-Wochenenden, das Wochenende per sé beeindruckten mich die ersten drei Module sehr wenig!

Sonntags als die ersten drei Module vorbei waren, hatte ich nicht den Eindruck, dass ich einer besonderen Belastung ausgesetzt gewesen wäre. Erst nach dem vierten Modul Recovery/Gesundung hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass mich ein Wochenende sehr geschlaucht hatte. Auch das Thema: „Schreiben seiner eigenen Genesungsgeschichte“ beschäftigte mich in den darauffolgenden Wochen sehr und wühlte so einiges in mir auf! Die Aufarbeitung meiner Kindheit und Jugendzeit mit einem sehr dominanten Vater und einer zu lieben Mutter, die selber psychische Probleme gehabt hatte. Diese Aufarbeitung beschäftigt mich noch heute. In den letzten Wochen hatte ich einige grundlegende Rollenspiele in meiner Therapie durchgeführt, die es mir heute ermöglichen, sehr dominanten Partnern (Freunden und Kollegen) meine Bedürfnisse mitzuteilen, was in meiner Kindheit nicht möglich war. Zum einem interessierte es unsere Eltern nicht, zum anderen wurden keine Widerworte geduldet! Es interessierte nur das Wohl der Familie und nicht die Interessen und Bedürfnisse der Kinder.

Ende August 2019 gab es auch bei meinem Arbeitsplatz im GpZ Überlingen eine Änderung. Rainer Schaff und ich bezogen unser eigenes Büro, auch hatten wir eine eigene Abteilung, die Betroffenenbeteiligung, erhalten. Wir sind die einzige Abteilung die keinen direkten Vorgesetzten haben. Die Arbeit und Projekte die wir während unserer Arbeitszeit bewältigen, suchen wir uns selbst und erledigen diese zeitnah.

Für das Modul Trialog hatten uns die EX-IN Trainer dazu angehalten, Angehörige, Freunde, Psychiater und Therapeuten zu dem Modul einzuladen, damit ein interessanter Austausch zwischen den verschiedenen Parteien entstehen konnte. Aus meinem Umfeld hatte leider keiner Zeit! Ärztin und Therapeut hatten abgesagt, als ich beide gefragt hatte und aus meiner Familie (3 Schwestern) war es nicht möglich die lange Strecke für nur einen Tag auf sich zunehmen. Für mich war die Veranstaltung eher nur am Rande interessant, da ich mir irgendwie, so allein in der großen Menge, mich nicht in das Gespräch integrieren konnte. Es kamen zu der Veranstaltung ca. 45 Personen und der große angemietete Konferenzsaal war fast zu klein! Nach der Veranstaltung war ein Großteil der Anwesenden sehr zufrieden.

Auch das Modul 6 – Selbsterforschung hatte mich psychisch sehr beansprucht und musste immer wieder das Gespräch mit den TrainerInnen suchen. Ich merkte in den darauffolgenden Wochen eine deutliche geänderte Wahrnehmung meiner Person und meines Charakters. Das hat mich im Selbstbewusstsein bestärkt.

Im Modul 7 – Fürsprache, habe ich das erste Mal festgestellt, dass noch niemals eine Person bewusst Fürsprache für mich gehalten hatte. Alles was ich erreicht hatte, musste ich mir alleine erkämpfen! In diesem Modul musste ich auch meine Recovery-Geschichte zum Besten geben! Ich hatte für meine Recovery-Geschichte mehr Zeit gebraucht als veranschlagt, aber ich durfte sie zu Ende vortragen.

Das Modul 8 – Assessment/Ganzheitliche Bestandsaufnahme war sehr interessant! Neben den Recovery-Aktivitäten, dem Genesungsplan, den Krisenplan und Krisenpass wurde auch über Wellness-Recovery-Action-Plan ausgiebig diskutiert. Wer hat welche Ressourcen und wie können diese aktiviert werden. Zu den Ressourcen gehören Fähigkeiten, Interessen und Hobbys eines jeden, sein Umfeld, wie Freunde, Partner, Kollegen und Familie. Diese Personen können über die Netzwerkkarte gewichtet werden. Wer steht der betroffenen Person am nächsten und wie ist der Nutzen in Bezug auf Aktivitäten, Beziehungen und der Genesung.

Im Modul 9 – Beraten und Begleiten – wurde den Teilnehmern im Kurs die Frage gestellt: In welcher Situation eures Lebens seid ihr gut beraten und begleitet gewesen? Was genau hat für dich die gute Beratung ausgemacht?

Für mich persönlich, habe ich in diesem Modul festgestellt, dass mein Betreuer über mehrere Jahre immer wieder in unseren Gesprächen meine Fettleibigkeit angesprochen hatte, bis bei mir eines Tages die Erleuchtung kam. Ab diesem Zeitraum habe ich mein Leben umgekrempelt. Ich hatte mich für die OP entschieden und bin meinen Weg gegangen.

Krisenbegleitung war das 10. In diesem Modul ging es hauptsächlich um richtiges und aktives Zuhören. Auch in der Auseinandersetzung mit einem Betroffenen, der gerade in der Krise steckt, ist es wichtig die richtigen Fragen zu stellen, dass man ihr/sein Befinden im momentanen Zustand herausbekommt. Es ist auch wichtig, die Bedürfnisse des Betroffenen in dieser schweren Phase seines Lebens zu ergründen. Zu diesem Thema hatten die Trainer einen Krankenpfleger und PAIR-Trainer eingeladen. Er referierte über das Thema Aggression und Gewalt => Prävention und Deeskalation. Das Thema war sehr interessant und fand großen Anklang bei uns im Kurs. Leider verflog die Zeit so schnell, dass nicht alle Fragen der Kursteilnehmer beantwortet werden konnten.

Unter dem Modul 11 – Lehren und Lernen hatte ich mir persönlich zum größten Teil etwas Anderes vorgestellt und war nachdem Wochenende leicht enttäuscht! Im Großen und Ganzen hat es schon Spaß gemacht, den Wortspielereien des Trainers zu folgen. Oftmals war ich auch sehr überrascht über die Ergebnisse und Erkenntnisse dieser Spielereien. Es war sehr lustig und es wurde viel gelacht!

Vier Tage nach dem Modul 11 kam in Deutschland der Corona bedingte Lockdown. Wir wurden durch die Landesregierung Baden-Württemberg aus unseren Werkstätten ausgeschlossen! Auch die Schweizer und Österreicher Kollegen hatten mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Grenzen zwischen Schweiz und Deutschland und Österreich und Deutschland wurden geschlossen. Für mich kam der Lockdown gerade richtig. Ich war in den letzten Tagen sehr müde, überarbeitet und ausgelaugt. Nach Ende des Lockdowns durfte ich wieder frisch ausgeruht in meinem Büro arbeiten. Das Büro von iPEBo gehört zum GpZ Überlingen, aber wir sind außerhalb des Hauptgebäudes. In den 4-5 Wochen habe ich immer wieder die Zeit für Spaziergänge, Gespräche und Ausruhen bzw. Kräfte sammeln verbracht. Es kam der Mai, und die Krankheitsfälle in Deutschland stiegen weiter an. Leider konnten wir aus den bekannten Gründen unser Abschlussmodul nicht Mitte Mai abhalten. Veranstaltungen waren verboten und die Grenzen zu Österreich und der Schweiz waren noch geschlossen. Alle 2-4 Wochen hatten die Trainer und die Teilnehmer eine Zoom-Konferenz durchgeführt. Ein kleiner Austausch über das Befinden der einzelnen Teilnehmer und Trainer. Mittlerweile wurden auch wieder Gedanken gehegt, man könnte den Kurs 1 Ende Juli 2020 beenden. Der Projektleiter Rainer Schaff und die Trainer trafen sich immer öfters zu Zoom-Konferenzen und berieten die Lage.

Für das Abschlussmodul 12 – Präsentation wurden vier Tage veranschlagt. Die Trainer legten drei Gruppen fest. Die letzte Veranstaltung sollte in Friedrichshafen stattfinden. Die erste Gruppe sollte Donnerstagmittag und Freitagmorgen sich treffen. In der ersten Gruppe waren die Teilnehmer, die nicht übernachten mussten und einen sehr kurzen Anreiseweg hatten. In den Gruppen 2 und 3 waren die Teilnehmer mit Übernachtungen. Leider konnten die Teilnehmer der Gruppe 1 nicht die Präsentationen der Gruppen 2 und 3 genießen und umgekehrt.

Das Abschlussmodul begann Donnerstag mit der Gruppe 1, der auch ich angehörte und endete am Freitagmittag um 12 Uhr. Gruppe 2 begann am Freitag und endete am Samstag gegen Mittag und Gruppe 3 hatte ihre Zeit Samstagmittag bis Sonntagmittag. Anschließend war Zertifikatsübergabe und Abschlussfeier, zu der die beiden Projektleiter Rainer Schaff und Ingo Kanngießer geladen hatten. Eingeladen waren die TrainerInnen, Teilnehmenden, und das Projektteam. Es war ein schöner Abschluss. Im Lauf der Abschlussfeier kümmerte ich mich um meine Materialien, die ich mitgebracht hatte und wieder mitnehmen musste. Ich verpackte alles im Auto. Ich fuhr die Trainer an den Stadtbahnhof Friedrichshafen, damit diese ihre Heimreise antreten konnten. Dann verabschiedete auch ich mich von den restlichen Leuten. Auf der Heimfahrt nach Überlingen kam bei mir etwas Wehmut hoch und mich plagte die Frage: Ist das der Zeitpunkt, ab dem ich die meisten nie wiedersehen werde? Es war ein sehr schönes Jahr mit vielen Höhenpunkten, aber ab und zu auch einigen kleinen Tiefpunkten. Es hat sich gelohnt, ich bin nochmals gereift. Ich bin glücklich, ausgeglichen und voller Vorfreude auf das was vor mir liegt, denn auch im Job entwickelt man sich immer weiter!

Gesundheitlich bin ich seit über drei Jahren sehr stabil. Kaum noch Tiefs! Körperlich hat sich mein Zustand so gebessert, dass ich nur noch ein Medikament nehmen muss. Mittlerweile aber auch nur noch 200 mg des Medikaments, im Gegensatz zu den extremen Zeiten, in denen ich 1200 mg einnahm. Bis Ende nächsten Jahres werde ich meine Dosis auf 100 mg reduzieren, alles in Absprache mit meiner Ärztin. Mittlerweile bin ich idealgewichtig. Mein BMI beträgt stolze 21-22!

Ich hoffe, meine Leser, die mir in den Berichten der zwölf Module gefolgt sind, nicht gelangweilt zu haben, mit meinen Erzählungen über meine Gefühlswelt und möchte mich bei allen Bedanken!

Ich wünsche Euch allen eine gute Zeit!

Uwe Hammerle